Geburtsschaden

Wenn ein behindertes Kind geboren wird, werden die Eltern in der Regel von den Ärzten nicht darüber aufgeklärt, dass ihr Kind bei richtiger Schwangerschaftsvorsorge bzw. bei richtigem Geburtsmanagement oder korrekter geburtlicher Nachsorge gesund geblieben wäre. Die ersten Zweifel kommen den Eltern meistens, wenn das Kind sich später entwickelt als andere Kinder. Selbst in dieser Phase wird von vielen Kinderärzten oft abgewiegelt und das Kind als „Spätentwickler“ bezeichnet. Wenn dann irgendwann die Wahrheit nicht mehr zu verbergen ist, werden die Behinderungen auf schicksalhafte Verläufe geschoben und die Eltern werden mit ihrem Kind und ihren Sorgen um die Zukunft des Kindes alleine gelassen.

Es beginnt regelmäßig ein Kampf mit der Krankenkasse, der Pflegeversicherung, mit diversen Ämtern und Behörden um Geld. Obwohl wir in einem sozialen Rechtsstaat leben und die Eingliederung von behinderten Menschen in die Gesellschaft und auch ins Arbeitsleben sowie der Zugang zur Bildung mehrfach in unterschiedlichen Gesetzen verankert ist, sieht die Realität anders aus. Meistens ist es nur dem hohen Engagement der Eltern zu verdanken, wenn ihre Kinder in geeigneten Einrichtungen unterrichtet werden bzw. die ihnen entsprechenden Ausbildungen machen dürfen. Ebenso ist es dem Engagement der Eltern und der Familie zu verdanken, wenn die Kinder sich dann doch besser entwickeln, als die Ärzte vorausgesagt haben. Oft wird um die Anschaffung von hochwertigen Rollstühlen, um Lesehilfen, um bestimmte Hörgeräte gerungen oder es geht um die Übernahme von Kosten für Operationen, die dem Kind sein Leben erleichtern würden. Die Krankenkasse weigert sich in der Regel optimale Hilfsmittel zu bezahlen und verweist die Betroffenen gerne auch auf billigere Hilfsmittel, die den Bedürfnissen weniger gerecht werden.

Manchmal erfahren die Eltern erst Jahre später, dass die Behinderungen Ihres Kindes keinesfalls schicksalhaft entstanden sind, sondern auf einem ärztlichen Versagen beruhen. Da die Geburtsschäden als Großschäden gelten, weil die Personenschäden die höchsten Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche auslösen, ist eine außergerichtliche Regulierung nach meinen Erfahrungen ausgeschlossen. Keine Berufshaftpflicht- Versicherung erkennt freiwillig an, dass ein Geburtsschaden vorliegt, den ihre Versicherungsnehmer zu verantworten haben und für den die Versicherung aufkommen muss.

Hierbei ist das Schmerzensgeld, was abhängig von den tatsächlichen Behinderungen bei schwersten körperlichen und geistigen Schäden immer in sechsstelliger Höhe ermittelt wird, noch nicht einmal der größte Schadensposten. Es geht hierneben auch um eine monatliche, lebenslänglich zu zahlende Schmerzensgeldrente für dauerhafte gravierende Beeinträchtigungen. Der behinderte Mensch hat weiterhin Anspruch auf Erstattung seines sachlichen und personellen Mehrbedarfs. Hierbei handelt es sich um die Kosten für die tägliche Betreuung, die ein schwerstbehinderter Mensch in allen Bereichen seines Alltags, nötig hat. Wird diese Betreuung von Familienangehörigen übernommen, wird regelmäßig um die Frage gestritten, wie viele Stunden der Familienangehörigen zu welchem Stundenlohn vom Gegner zu erstatten sind. Hierzu gibt es eine sehr bundesuneinheitliche Rechtsprechung. Streitig ist auch die Frage, in welchem Umfang die sog. Nachtbereitschaft zu ersetzen ist. Die gegnerische Versicherung argumentiert in der Regel damit, dass die Eltern nachts überwiegend schlafen und sich daher auch nicht die gesamte Nacht vergüten lassen können. Hierbei wird allerdings übersehen, dass der behinderte Mensch ohne Betreuungspersonen in der Nacht nicht alleine schlafen könnte, da er sich z. B. nicht alleine im Bett umdrehen kann oder nicht alleine auf die Toiletten gehen kann usw.

Oft gibt es auch Ärger mit dem sozialmedizinischen Dienst, der eine niedrigere Pflegestufe für angemessen hält. Es gibt viel Streit um die Frage, ob z. B. Delfintherapien im Ausland von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu bezahlen sind oder ob man den Betroffenen darauf verweisen kann, dass es sich hierbei nicht um anerkannte Heilmethoden handelt. Die Eltern können die Fahrtkosten und den behinderungsbedingten Umbau des Autos bzw. die Anschaffung eines eigenen behindertengerechten Autos nur für den behinderten Menschen in voller Höhe als Schaden geltend machen. Des Weiteren kann ein behinderungsgerechter Umbau der Wohnung oder des Hauses vollständig vom Schädiger ersetzt verlangt werden. Weiterhin gibt es diverse Varianten wie die Eltern sich über das Pflegegeld der Kinder z. B. anstellen lassen können, so dass die Pflegeperson einer bezahlten Arbeit nachgeht und entsprechend sozialversicherungsrechtlich abgesichert ist und später eben auch Anspruch auf eine Rente hat.

Eine große Sorge der Eltern betrifft die Zeit nach ihrem Tod. Wer kümmert sich dann um ihr behindertes Kind, was dann in der Regel erwachsen sein wird. Hierbei empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig entweder in der Familie eine Regelung zu finden, wie der behinderte Mensch weiterhin betreut werden kann oder frühzeitig dafür zu sorgen, dass ein Platz in einem Heim oder in einer betreuten Wohngemeinschaft gefunden wird, in dem sich der behinderte Mensch wohlfühlt. Wenn das frühzeitig gemacht wird, können die Eltern auch noch miterleben, ob sich ihr Kind dort wohlfühlt und ggf. auch noch eine Alternative suchen, wenn das nicht der Fall sein sollte.

Weiterhin ist zu bedenken, dass das Sozialamt bzw. die ARGE Erbschaften des Kindes zur Auszahlung verlangen kann, sofern der Staat Leistungen an das Kind bezahlt hat. Es bedarf also einer umfangreichen erbrechtlichen Beratung. Ein Testament sollte also nicht standardisiert nach dem Berliner Vorbild so abgefasst werden, dass nach dem Tod der Eltern alle Kinder gleich bedacht werden. Für das behinderte Kind würde das bedeuten, dass es vom Erbe gar nichts hat, weil die ARGE sich ihre Zahlungen erstatten lassen würde.

Ganz wichtig ist es, dass man einen so existentiell wichtigen Fall nicht seinem Hausanwalt überträgt, sondern jemandem, der sich damit auskennt und das sind in der Regel die Fachanwälte für Medizinrecht, die sich schwerpunktmäßig mit Arzthaftungsrecht und auch mit Geburtsschäden befassen.

Bei mir werden Sie umfassend beraten und bekommen Unterstützung, wenn Sie wieder um die Rechte Ihres Kindes gegenüber Krankenkassen oder Behörden kämpfen müssen oder wenn es um die grundsätzliche Anerkennung der Behinderung Ihres Kindes als Geburtsschaden geht. Ein Rechtsstreit ist zwar ein schwerer Weg, der sich jahrelang hinziehen wird. Angesichts der Absicherung des Kindes in der Zukunft auch nach dem Ableben der Eltern macht es aber Sinn, für das Kind ein positives Urteil zu erstreiten.